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BAC 28

Der Silen.
Wandlungen einer Gestalt des griechischen Satyrspiels

Gerhild Conrad

Satyrspiel und Tragödie sind durch vielfache Gemeinsamkeiten aufs engste verwandt. Beide sind eingebunden in den kultischen Rahmen des Dionysos-Festes. Der Satyrspieldichter, der immer zugleich auch Tragödiendichter ist, schöpft aus dem gemeinsamen Mythenreservoir und strukturiert die Handlung nach gattungsspezifischen Konventionen. Das Ergebnis ist eine tragodía paízousa, eine 'scherzende Tragödie'.

Die Verfasserin rückt eine zentrale Gestalt des griechischen Satyrspiels, den Silen, ins Blickfeld mit dem Ziel, die Qualität des paízein - und damit die des Satyrspiels - an das spezielle Naturell der Satyrwesen zu binden. Der spärlichen Materialbasis zum Trotz wird an Hand aller verfügbaren relevanten Texte der Versuch unternommen, eine evolutionäre Linie aufzuzeigen, die von Aischylos über Sophokles und Euripides bis hin zur hellenistischen Epoche reicht. Dabei wird ein für die Gattung folgenschwerer Wandel herausgearbeitet: Formale Position und geistiger Zuschnitt des Silens verändern sich. Der Silen entwickelt sich vom chorintegrierten Koryphaios über eine Zwischenstufe zum unabhängigen Einzelschauspieler. Durch die Dissoziierung der Satyrwesen gewinnt der Dichter neue dramaturgische Gestaltungsmöglichkeiten. Die Anpassung der naiven Naturdämonen an zeitgenössische Geistesströmungen findet in der Figur des Silens infolge ihrer exponierten Stellung besonders deutlichen Niederschlag. Sie hat zwar einerseits eine deutliche Vermehrung komischer Effekte zur Folge, führt aber andererseits auch zu einer Entdämonisierung der Satyrwesen und damit zu einer Entzauberung des Satyrspiels.

ISBN 3-88476-251-6, 320 S., kt., Euro 26,50 1997

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