Das Widerspenstige zähmen.
Die militärische und politische Sprache in Vergils Georgica
Hartwig Heckel
Daß Vergils im Jahre 29 v. Chr. vollendetes Lehrgedicht über die Landwirtschaft nicht als versifizierte Anleitung zur Arbeit auf dem Bauernhof zu verstehen ist, war bereits antiken Rezipienten der Georgica bewußt; der Vergilkenner Seneca konnte dies auf die einfache Formel bringen, Vergil habe eher die Leser erfreuen als die Bauern belehren wollen. Die Frage nach der eigentlichen Bedeutung und Intention der Georgica gehört zu den besonders umstrittenen Problemen der modernen Vergilinterpretation.
Um diesem Problem näherzutreten, nimmt die Studie ein Phänomen in den Blick, das in der bisherigen Forschung zu wenig Beachtung gefunden hat, obwohl es für die im engeren Sinne lehrhaften Partien des Gedichts typisch ist: Im Rahmen der Ausführungen über Ackerbau, Obst- und Weinbau, Viehzucht und Imkerei werden insbesondere die Arbeiten des Bauern, daneben auch andere Vorgänge, häufig mit Begriffen und Wendungen beschrieben, die man eher in Schilderungen kriegerischer Auseinandersetzungen und in Darstellungen militärischer Hierarchiestrukturen erwartet; hinzu treten wiederholt auch Metaphern aus dem politischen Bereich. In ausführlichen Interpretationen aller relevanten Passagen und unter Berücksichtigung der weit über die Grenzen von Stoff und Gattung hinausreichenden literarischen Bezüge werden Technik, Bandbreite und Funktion dieses von Vergil in innovativer Weise gehandhabten poetischen Verfahrens herausgearbeitet: Die militärisch-politische Metaphorik der Georgica verweist auf die politische Wirkabsicht des Dichters, der nicht nur ein eigenständiges Konzept von der Behauptung der menschlichen, besonders der römischen Kultur in der Welt entwirft, sondern auch in der Schlußphase eines Jahrzehnte währenden Machtkampfes seine Erwartungen an den künftigen Herrscher Octavian formuliert.
ISBN 3-88476-320-2, 279 S., kt., Euro 26,50 1998