NACH OBEN

Forschungsschwerpunkte

Mechanismen der Perzeption: Von angenehmer Berührung bis zur Schmerzwahrnehmung

Unsere Forschung zur Perzeption umfasst die neurobiologischen Grundlagen und klinischen Implikationen sowohl angenehmer als auch aversiver Wahrnehmungen. Positive Wahrnehmungen, insbesondere Umarmungen und andere angenehme Berührungen, können nicht nur Stress reduzieren, sondern auch schmerzlindernd wirken. Wir erforschen die neurobiologischen Mechanismen dieser stress-protektiven und anti-nozizeptiven Effekte von sozialer Berührung in experimentellen Studien im Labor und mit ambulanten Assessments im Alltag. Im Fokus unserer Arbeiten zur aversiven Perzeption steht der Schmerz als Kernsymptom vielfältiger Erkrankungen. Wir interessieren uns insbesondere für Wahrnehmungen aus dem Körperinneren, auch bekannt als "Interozeption", die für den Viszeralschmerz und Erkrankungen der Darm-Hirn-Achse entscheidend sind. Im Rahmen unserer von der DFG finanzierten Arbeiten innerhalb des Sonderforschungsbereichs SFB 1280 'Extinction Learning' stehen dabei in Studien mit Gesunden als auch mit Betroffenen mit chronischen Bauchschmerzen vor allem emotionale Einflussvariablen (Teilprojekt A10, Leitung: S. Elsenbruch & A. Icenhour) sowie inflammatorische Mechanismen der Schmerzamplifikation im Fokus (Teilprojekt A12, Leitung: H. Engler & S. Elsenbruch). In unseren Studien forschen wir zu neuen Ansätzen der Prävention und Behandlung chronischer Schmerzen und stress-assoziierter Erkrankungen.

Ausgewählte Publikationen:

Packheiser, J*, Hartmann, H*, Gazzola, V, Keysers, C, Michon, F (2024). A systematic review and multivariate meta-analysis of the physical and mental health benefits of touch interventions. Nat Hum Behav; Apr 8. doi: 10.1038/s41562-024-01841-8. Online ahead of print.

Öhlmann H, Lanters LR, Theysohn N, Langhorst J, Engler H, Icenhour A, Elsenbruch S (2023). Distinct Alterations in Central Pain Processing of Visceral and Somatic Pain in Quiescent Ulcerative Colitis Compared to Irritable Bowel Syndrome and Health. J Crohns Colitis; 17(10):1639-1651.

Benson S, Labrenz F, Kotulla S, Brotte L, Rödder P, Tebbe B, Theysohn N, Engler H, Elsenbruch S (2023). Amplified gut feelings under inflammation and depressed mood: A randomized fMRI trial on interoceptive pain in healthy volunteers. Brain Behav Immun; 112:132-137.

Keefer L, Ballou SK, Drossman DA, Ringstrom G, Elsenbruch S, Ljótsson B (2022). A Rome Working Team Report on Brain-Gut Behavior Therapies for Disorders of Gut-Brain Interaction. Gastroenterology; 162(1):300-315.

Kreuder AK, Scheele D, Wassermann L, Wollseifer M, Stoffel-Wagner B, Lee M, Hennig J, Maier W, Hurlemann R (2017) How the brain codes intimacy: The neurobiological substrates of romantic touch. Hum Brain Mapp; 38: 4525-4534. 

Mechanismen und klinische Relevanz des zentralen Furchtnetzwerks: Vom Furchtlernen bis zum Schmerzgedächtnis

Eines unserer Forschungsziele besteht darin, ein tieferes Verständnis der Funktionsweise des zentralen Furchtnetzwerks im Gehirn zu erlangen. Die Amygdala und der Hippocampus mit ihren vielfältigen Verbindungen zu anderen Hirnregionen werden als zentrale Strukturen für emotionale Lern- und Gedächtnisprozesse betrachtet. Dieses Verständnis ist entscheidend für die Entwicklung neuer Behandlungen von Erkrankungen, die mit Stress und Furcht verbunden sind, wie chronische Schmerzen. Wir untersuchen, wie individuelle Lernerfahrungen die schmerzbezogene konditionierte Furcht prägen und wie Furcht die Schmerzwahrnehmung beeinflusst. Wir konzentrieren uns auch auf das Vermeidungsverhalten als eine wichtige Verhaltenskonsequenz der Furcht. Im Zusammenhang mit neuen verhaltenstherapeutischen Ansätzen der Schmerztherapie analysieren wir die Mechanismen des Extinktionslernens, insbesondere die Bedeutung von Stress- und Entzündungsmediatoren im Kontext chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. Diese Forschung wird im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 1280 'Extinction Learning' durch die DFG in den Teilprojekten A10 (Leitung: S. Elsenbruch & A. Icenhour) und A12 (Leitung: H. Engler & S. Elsenbruch) gefördert.

Ausgewählte Publikationen:

Pawlik RJPetrakova L, Cueillette A, Krawczyk K, Theysohn N, Elsenbruch S, Engler H (2023). Inflammation shapes neural processing of interoceptive fear predictors during extinction learning in healthy humans. Brain Behav Immun; 108:328-339.

Morr M, Noell J, Sassin D, Daniels J, Philipsen A, Becker B, Stoffel-Wagner B, Hurlemann R, Scheele D (2022). Lonely in the Dark: Trauma Memory and Sex-Specific Dysregulation of Amygdala Reactivity to Fear Signals. Adv Sci (Weinh); 9(15):e2105336.

Icenhour A, Petrakova L, Hazzan N, Theysohn N, Merz CJ, Elsenbruch S (2021). When gut feelings teach the brain to fear pain: Context-dependent activation of the central fear network in a novel interoceptive conditioning paradigm. Neuroimage; 238:118229.

Koenen LR, Pawlik RJ, Icenhour A, Petrakova L, Forkmann K, Theysohn N, Engler H, Elsenbruch S (2021). Associative learning and extinction of conditioned threat predictors across sensory modalities. Commun Biol; 4(1):553.

Kreuder AK, Scheele D, Schultz J, Hennig J, Marsh N, Dellert T, Ettinger U, Philipsen A, Babasiz M, Herscheid A, Remmersmann L, Stirnberg R, Stöcker T, Hurlemann R (2020). Common and dissociable effects of oxytocin and lorazepam on the neurocircuitry of fear. Proc Natl Acad Sci USA; 117(21):11781-11787.

Kognitive Schmerzmodulation durch Therapieerwartungen: Placebo- und Noceboeffekte

Therapieerwartungen beeinflussen die Wahrnehmung körperlicher Symptome, einschließlich Schmerzen und Magen-Darm-Beschwerden. Unsere Forschungsprojekte zielen darauf ab, die psychologischen und neurobiologischen Mechanismen positiver (Placebo) sowie negativer (Nocebo) Erwartungseffekte aufzuklären. Dabei geht es einerseits darum, Wissen über positive Erwartungseffekte in die klinische Anwendung zu bringen. Zum anderen soll aber auch die Rolle negativer Erwartungen bei Symptompersistenz und Therapieabbrüchen geklärt werden, um Nocebo-Effekte im klinischen Alltag möglichst zu minimieren. Wir kombinieren experimentelle Forschungsarbeiten mit klinischen Studien, um insbesondere den Therapieerfolg der Behandlung postoperativer sowie chronischer Schmerzen zu verbessern. Diese Forschungsarbeiten werden im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereichs TRR 289 ‚Treatment Expectation‘ im Teilprojekt A04 (Leitung: S. Elsenbruch) von der DFG gefördert.

Ausgewählte Publikationen:

Benson S, Labrenz F, Kotulla S, Brotte L, Rödder P, Tebbe B, Theysohn N, Engler H, Elsenbruch S (2023). Amplified gut feelings under inflammation and depressed mood: A randomized fMRI trial on interoceptive pain in healthy volunteers. Brain Behav Immun; 112:132-137.

Keefer L, Ballou SK, Drossman DA, Ringstrom G, Elsenbruch S, Ljótsson B (2022). A Rome Working Team Report on Brain-Gut Behavior Therapies for Disorders of Gut-Brain Interaction. Gastroenterology; 162(1):300-315.

Bosman M, Elsenbruch S, Corsetti M, Tack J, Simrén M, Winkens B, Boumans T, Masclee A, Keszthelyi D (2021). The placebo response rate in pharmacological trials in patients with irritable bowel syndrome: a systematic review and meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol; 6(6):459-473.

Elsenbruch S, Enck P (2015). Placebo effects and their determinants in gastrointestinal disorders. Nat Rev Gastroenterol Hepatol; 12:472-485.

Soziale Bindung und Einsamkeit

Warum blühen manche Menschen in einem sozialen Umfeld auf und profitieren von sozialen Interaktionen, während andere sozial isoliert und einsam werden? Wie beeinflussen soziale Kontakte oder das Fehlen solcher Kontakte unser Gehirn und prägen unsere soziale Wahrnehmung und unser Gedächtnis? Es ist gut etabliert, dass soziale Isolation und Einsamkeit verheerende Folgen für das körperliche und psychische Wohlbefinden haben, aber die spezifischen neuralen und hormonellen Mechanismen, die diesen schädlichen Auswirkungen zugrunde liegen, sind noch unklar. Wir erforschen daher die Determinanten und Folgen sozialer Bindungen bei gesunden Erwachsenen und Patient*innen mit psychischen Störungen. Parallel dazu möchten wir besser verstehen, wie zwischenmenschliche Berührungen als wirkungsvolles Mittel zur Kommunikation von Gefühlen auch für die Aufrechterhaltung sozialer Bindungen bedeutsam sind. Wir sind besonders daran interessiert, wie interindividuelle Unterschiede wie Geschlecht und frühe Lebenserfahrungen die Verarbeitung sozialer Berührung und die neurobiologischen Substrate sozialer Verbindungen modulieren. Diese Forschung wird im Rahmen einer Sachbeihilfe (Leitung: D. Scheele) von der DFG gefördert.

Ausgewählte Publikationen:

Berger R, Hurlemann R, Shamay-Tsoory S, Kanterman A, Brauser M, Gorni J, Luhmann M, Schramm E, Schultz J, Philipsen A, Lieberz J, Scheele D (2024). Oxytocin-augmented modular-based group intervention for loneliness: A proof-of-concept randomized-controlled trial. Psychotherapy & Psychosomatics (in press).

Lieberz J, Shamay-Tsoory SG, Saporta N, Kanterman A, Gorni J, Esser T, Kuskova E, Schultz J, Hurlemann R, Scheele D (2022) Behavioral and neural dissociation of social anxiety and loneliness. Journal of Neuroscience 42: 2570-2583.

Morr M, Liu X, Hurlemann R, Becker B, Scheele D (2022) Chronic loneliness: Neurocognitive mechanisms and interventions. Psychotherapy & Psychosomatics 91: 227-237.

Lieberz J, Shamay-Tsoory SG, Saporta N, Esser T, Kuskova E, Stoffel-Wagner B, Hurlemann R, Scheele D (2021) Loneliness and the social brain: how perceived social isolation impairs human interactions. Advanced Science 8: e2102076.

Stress und Trauma

Stress und traumatische Lebensereignisse sind Risikofaktoren für das Auftreten und Persistieren körperlicher und psychischer Symptome. Akuter und chronischer Stress sowie negative Emotionen und maladaptives Coping beeinflussen die Wahrnehmung und Bewertung von Symptomen. Auch die Erinnerung und das Berichten von früheren Schmerzepisoden und die dadurch verursachte Belastung werden durch Stress moduliert. Ferner können traumatische Erfahrungen soziale Bindungen nachhaltig verändern und neben Interaktionspräferenzen auch die Wahrnehmung sozialer Berührung beeinflussen. Wir legen ein biopsychosoziales Stressmodell zugrunde und kombinieren pharmakologische, psychologische und fragebogenbasierte Forschungsansätze der Biopsychologie, Psychoneuroendokrinologie und -immunologie sowie der Neurowissenschaften, um die Bedeutung von Stress und Trauma in all ihren Facetten in verschiedenen Fragestellungen der Grundlagen und klinischen Forschung zu beleuchten. Basierend auf diesen Befunden sollen neurobiologisch informierte Interventionen entwickelt werden, um die negativen Konsequenzen von Stress und Trauma zu reduzieren.

Ausgewählte Publikationen:

Packheiser, J*, Hartmann, H*, Gazzola, V, Keysers, C, Michon, F (2024). A systematic review and multivariate meta-analysis of the physical and mental health benefits of touch interventions. Nat Hum Behav; Apr 8. doi: 10.1038/s41562-024-01841-8. Online ahead of print.

Pawlik RJPetrakova L, Cueillette A, Krawczyk K, Theysohn N, Elsenbruch S, Engler H (2023). Inflammation shapes neural processing of interoceptive fear predictors during extinction learning in healthy humans. Brain Behav Immun; 108:328-339.

Morr M, Noell J, Sassin D, Daniels J, Philipsen A, Becker B, Stoffel-Wagner B, Hurlemann R, Scheele D (2022). Lonely in the Dark: Trauma Memory and Sex-Specific Dysregulation of Amygdala Reactivity to Fear Signals. Adv Sci (Weinh); 9(15):e2105336.

Icenhour A, Petrakova L, Hazzan N, Theysohn N, Merz CJ, Elsenbruch S (2021). When gut feelings teach the brain to fear pain: Context-dependent activation of the central fear network in a novel interoceptive conditioning paradigm. Neuroimage; 238:118229.

Koenen LR, Pawlik RJ, Icenhour A, Petrakova L, Forkmann K, Theysohn N, Engler H, Elsenbruch S (2021). Associative learning and extinction of conditioned threat predictors across sensory modalities. Commun Biol; 4(1):553.

Kreuder AK, Scheele D, Schultz J, Hennig J, Marsh N, Dellert T, Ettinger U, Philipsen A, Babasiz M, Herscheid A, Remmersmann L, Stirnberg R, Stöcker T, Hurlemann R (2020). Common and dissociable effects of oxytocin and lorazepam on the neurocircuitry of fear. Proc Natl Acad Sci USA; 117(21):11781-11787.